Im hier bereits veröffentlichten ersten Teil des Jahresberichtes wandte sich unsere Stiftungsratspräsidentin Monica Chappuis an die Spenderinnen und Spender. Folgender Auszug stammt nun von unserem Stiftungsleiter Jörg Duss. Der Jahresbericht wurde per Post an alle Spenderinnen und Spender verschickt und gibt einen Rückblick auf das Jahr.
Liebe Spenderinnen und Spender, liebe Freunde!
In den letzten Jahren berichtete ich bei meinen Referaten und Vorträgen davon, dass sich die Armut innerhalb der Bevölkerung auf bestimmte Gruppen verschoben hatte. Nach dem Ende der internen russischen Krise von 1998 und dem Wechsel zur heutigen russischen Regierung, war ein stetiger Anstieg für jedermann klar ersichtlich. Eine neu sich bildende Mittelschicht, emporgestiegen im Zuge des spürbaren wirtschaftlichen Aufschwungs, verwandelte Bedürftige plötzlich zu Helfern.
Für RADUGA standen zu jener Zeit Grossfamilien, allein stehende alte Menschen, Behinderte und Waisenkinder im speziellen Blickfeld. Seit Anfang Jahr aber spüren wir leider selbst auf dem Lande die Auswirkungen der „künstlich erzeugten Krise“, wie sie in Moskau von vielen ausländischen Geschäftsleuten betitelt wird.
Viele Familien wurden sozusagen über Nacht wieder in die frühere Realität zurückversetzt. Am Härtesten traf es zwei Kategorien von Menschen: Diejenigen, die den Arbeitsplatz verloren haben und die, denen nun im Zuge der Krise der vorher aufgenommene Kredit schwer zu schaffen macht. In den ersten Monaten wurden wir von Anfragen regelrecht überschwemmt. Zusammen mit den örtlichen Behörden, zu denen wir in der letzten Zeit ausgezeichnete Kontakte pflegen, hatten wir zweimal pro Monat Sitzungen, um die Bedürftigen gemeinsam zu erfassen und allfällige Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Nach Gesetz ist dem Staat klar vorgeschrieben, wie oft und in welchem Umfang er Personen oder Familien pro Jahr helfen darf. In der Koordination mit den Behörden half RADUGA dann gezielt in den Fällen, wo die Hilfe des Staates nicht ausreichte.
In der letzten Zeit setze ich einen Teil meiner Aktivitäten auch dafür ein, die Stiftung RADUGA in Russland einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die Teilnahme an einer Diskussionsrunde im Fernsehen mit dem Thema „Wie wird die Hilfe von den Menschen aufgenommen“ sowie an zwei Reportagen, wovon die eine im Regionalfernsehen von Kaluga und die zweite über ganz Russland ausgestrahlt wurde, brachten diesbezüglich positive Resultate.
Unser Anliegen bestand dabei einerseits darin, den Begriff „Stiftung“ in einem positiven Licht darzustellen. Leider wird dieser Ausdruck oft mit den Attributen unseriös, schwindlerisch oder betrügerisch in Verbindung gebracht. Andererseits wollten wir anhand der Projekte von RADUGA aufzeigen, wie man mit wenig viel erreichen kann, wenn man die Mittel gezielt einsetzt. Allgemein herrscht die Meinung, es benötige Unsummen, um Menschen zu helfen.
Durch den gestiegenen Bekanntheitsgrad, speziell auch in Moskau, entstand sogleich ein neues Projekt, das wir seit dem Frühling dieses Jahres in die Tat umsetzen. Wir kaufen in Tarussa und Umgebung landwirtschaftliche Produkte wie Eier, Sauerrahm, Quark, Butter, Milch und Gemüse ein. Damit helfen wir den Produzenten beim Absatz. In Moskau und Umgebung verkaufen wir diese Lebensmittel dann an „reiche Russen“, welche die Qualität und die Frische der Produkte sehr schätzen. Wichtig dabei ist immer, dass den Käufern bewusst wird, dass sie mit dem Kauf auch direkt Menschen unterstützen. So schliesst sich der Kreis wieder zwischen Helfern, Spendern und Bedürftigen.
Ich wünsche allen, dass die Krise so bald wie möglich ein Ende nimmt! Es darf und kann nicht sein, dass im Interesse weniger die Mehrheit der Menschheit leiden muss.
Jörg Duss Stiftungsleiter
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