Monatsbericht Januar 2023

Monatsbericht Januar 2023

„Sibirische Kälte“ ist auch im Westen ein immer wieder gerne benutzter Vergleich. Für uns war es Anfang des Jahres jedoch plötzlich nicht nur ein Vergleich. Wir hatten -28 Grad Celsius zu vermelden, was sich schon ziemlich kalt anfühlte. Wenn wir jedoch die Temperaturen von einem sibirischen Dorf in Jakutien nehmen, da waren es sage und schreibe –72 Grad Celsius. In Anbetracht einer solchen Kälte dürfen wir uns hier nicht beklagen! Was ich jedoch anfügen muss ist, dass in diesen Regionen Russlands tiefe Temperaturen üblich sind, und die Menschen sich darauf eingestellt haben.

Als Erstes möchte ich Ihnen allen nochmals alles Gute im neuen Jahr wünschen! Wie ich schon früher mal geschrieben habe, gefällt mir folgende Redewendung sehr gut: Am Ende kommt immer alles gut, und wenn es noch nicht gut ist, heisst das nur, dass es noch nicht das Ende ist!

Wir dürfen in Lagowschina auf ein sehr schönes Neujahrsfest zurückblicken. Alle Bewohner waren in irgendeiner Art und Weise an der Organisation und Durchführung des Festes beteiligt. Jeder hat seinen Beitrag zum guten Gelingen geleistet. Für diejenigen, welche seit langem wieder einmal eine Kollegin oder einen Verwandten sehen konnten, waren es unvergessliche Momente des Wiedersehens. Zudem war das Abendprogramm mit verschiedenen Aufführungen und Gesellschaftsspielen so organisiert, dass die ganze Festgesellschaft immer mit einbezogen wurde. Nach den Feierlichkeiten kam German, der keine Verwandten oder Bekannten mehr hat, zu mir und sagte: „Das war das schönste Neujahrsfest in meinem Leben!“ Da kann ich nicht mehr viel dazu fügen!

Am 4. Januar ging es dann gleich weiter mit den Bewohnern der umliegenden Dörfer. Auch vor ihnen führten wir unser einstudiertes Neujahrsprogramm auf. Das Echo war so gross, dass sich in den nachfolgenden Tagen Bewohner aus noch weiter entfernten Dörfern bei uns meldeten, ob sie nicht auch einmal an so einem Fest teilnehmen könnten. So organisierten wir kurzerhand am 14. Januar nochmals ein Fest!

Was hat nun, nüchtern betrachtet, dieser Anlass für unser Dorf bewirkt?

  • Alle Bewohner halfen mit, das Kulturhaus festlich einzurichten. Es wurden Dekorationen gebastelt und aufgehängt oder aufgestellt.
  • Bei der Vorbereitung des Essens herrschte in der Küche unter den Frauen ein reges Treiben, und man spürte die Gespanntheit auf das Treffen mit den Gästen.
  • Für die „Artisten“, seien es die Kinder, welche Lieder und Tänze aufführten oder eine Bodenturnübung zum Besten geben, oder aber die Erwachsenen, welche mit verschiedenen gespielten Sketches die Menschen zum Lachen brachten, spürte man an den Proben schon die Vorfreude.
  • Gleichzeitig organisierten wir während des ganzen Programms immer wieder verschiedene Spiele unter den Zuschauern, wozu sich jeder Tisch einen eigenen Namen aussuchte, und so Spielrivalitäten unter den Tischen entstanden.
  • Ein Höhepunkt war sicher, als es uns gelang, die ganze Festgemeinschaft gemeinsam zum Tanzen zu bringen. Viele taten es nicht von selbst, weil sie sich genierten. Also machten wir das ganz einfach. Wir baten alle zu einem Gruppenfoto nach vorne auf die Bühne. (Fotografieren liessen sich alle!), Als das Foto dann geknipst war, stellte ich mich vor die Bühne und schnitt damit allen den Weg zurück zum Tisch ab. Dann begann die Musik zu spielen, und ich zeigte den verblüfften Gästen auf der Bühne ein paar einfache Schritte, die dann alle gemeinsam nachmachten, und so entstand ein Gruppentanz, nach dem mir viele sagten, dass sie so etwas noch nicht erlebt hätten!

Mit all diesen Momenten schafften wir positive Emotionen und Eindrücke bei den Gästen, und auch bei unseren Bewohnern. Nach jedem Anlass waren wir zwar geschafft, aber innerlich verspürten wir eine grosse Genugtuung, als wir die strahlenden Gesichter der Menschen sahen. In der jetzigen Zeit, wo es ausserhalb von Lagowschina gerade nicht zum Besten steht, ist es doppelt wichtig, den Menschen solche Momente zu schenken.

Nach all diesen positiven Erfahrungen, die wir rund um diese Festlichkeiten machen durften, habe ich mich entschieden, ein neues Programm auszudenken, um es mit den Bewohnern wieder einzustudieren.

Mit freundlichen Grüssen

Jörg Duss

P.S. Ich habe immer gewusst, dass dieses Kulturhaus für unser Dorf einen hohen Stellenwert bekommen würde, doch die gemachten Erfahrungen der letzten Wochen haben selbst meine hohen Erwartungen bei Weitem übertroffen!

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