Monatsbericht März 2015

Monatsbericht März 2015

Der Winter hat sich langsam aber sicher verabschiedet. Wie bereits früher geschrieben, müssen wir uns damit abfinden, dass es kein russischer Winter war, wie man ihn ansonsten gewohnt ist. Da sehr wenig Schnee gefallen ist, erwarten wir auch nicht wie in den vergangenen Jahren Hochwasser.

Vor kurzem bekam ich den Anruf eines Priesters aus dem Gebiet Kaluga. Er berichtete mir, dass seit rund einem Monat eine junge Ukrainerin mit ihrem Sohn auf dem Kirchenareal Zuflucht gefunden habe. Das Problem sei, dass die Pfarrei langfristig der jungen Frau keine Bleibe bieten könne und daher intensiv nach Möglichkeiten suche, sie unterzubringen. Er habe im Fernsehen einen Beitrag über die Stiftung gesehen und daher beschlossen, uns anzurufen.

Die junge Frau stammt wie beschrieben aus der Ukraine. Diesmal allerdings nicht aus der Ostukraine, sondern aus der Nähe von Kiew. Ihre Eltern waren vor über vierzig Jahren aus Russland eingewandert, um hier zu arbeiten. Ljuba, so heisst die junge Frau, kam in der Ukraine zur Welt und hat daher die ukrainische Staatsbürgerschaft, der Familienname ist aber typisch russisch. Wer hätte gedacht, dass dies einmal der Grund sein würde, dass sie ihr Geburtsland verlassen muss!

„Wir konnten uns nicht mehr frei bewegen“, erzählte sie mir bei unserem ersten Treffen. „Sobald ich mich zum Beispiel auf einer Behörde mit meinem Namen meldete, waren wir sogleich allen möglichen Schikanen ausgesetzt. Uns wurde bereits klar gemacht, dass in der Schule nur noch ukrainisch unterrichtet wird, und nicht mehr wie früher auch russisch.“ Mit Tränen in den Augen erklärte sie uns, dass sie einfach keine Möglichkeit mehr gesehen habe, ein ruhiges Leben in diesem Land zu führen. Nachdem Bekannte von ihr auch tätlich angegriffen worden seien, habe sie sich entschieden, mit ihrem Sohn nach Russland zu fliehen.

„Bitte helft mir eine Arbeit zu finden!“ Das sagte sie uns immer wieder. „Sobald ich Arbeit habe, kann ich auf eigenen Beinen stehen, kommt doch mein Sohn im Herbst in die erste Klasse.“ Vorerst hat sie nun im Stiftungshaus Unterkunft bekommen. Damit sie, wie sie sagt, auf eigenen Beinen stehen kann, arbeitet sie bei uns auf dem Bauernhof. Wir wissen jedoch alle, dass wir bis zum Herbst, wenn ihr Sohn eingeschult wird, eine andere Lösung finden müssen.

Ja, das ist ein Aspekt des ukrainischen Bürgerkriegs, von dem wir aus den Massenmedien kaum etwa erfahren…

Mit freundlichen Grüssen

Jörg Duss

 

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