Den ganzen Mai hatten wir sonniges Wetter. Die Böden, welche sich nach der Schneeschmelze wieder leicht erholt hatten, trockneten zunehmend wieder aus. Ganz am Ende des Monates kam ein viel erwarteter leichter Regen. Für die Anbaukulturen ein Segen! Hätte es noch etwas mehr geregnet, wäre niemand unglücklich gewesen!
Seit ein paar Monaten haben wir in unserem Bezirk einen neuen Oberbürgermeister. Es ist nun bereits der vierte oder fünfte, seit ich hier lebe. Leider wiederholt sich fast jedes Mal das gleiche Szenario: Das Motto «Neue Besen kehren gut» wird abgewandelt in «Neue Besen kehren gründlich», und die Neuankömmlinge versuchen, sich vor allem selber umgehend ins Rampenlicht zu stellen. Anstatt die erste Zeit einmal die vorhandene Situation zu studieren und sich in Ruhe mit allem vertraut zu machen, werfen sie sofort viel Bewährtes über den Haufen. Meine Erfahrung zeigt, dass solche Wechsel an der Spitze die Region jedes Mal in vielen Bereichen wieder zurück werfen.
Viel Energie und viel Mittel werden bei solchen Aktionen verpufft, sodass es jeweils Jahre benötigt, die Dinge einigermassen wieder einzurenken, bevor dann der Nachfolger kommt! Vielleicht wäre es mal an der Zeit für diese Eiferer, den Blick nach Osten zu richten, wo z.B. die Chinesen uns gerade in diesem Bereich meilenweit voraus sind. Ihre Planung besteht nicht von Oberbürgermeister zu Oberbürgermeister, sondern ist auf Jahrzehnte ausgerichtet. Das Resultat ist dann ein stetig sich weiter entwickelndes stabiles Gefüge.
Übrigens kommt bei einem solchen Wechsel auch immer gleich Unruhe auf. Es weiss ja niemand, welcher Stein bald noch auf dem anderen liegen wird! In diesem Fall z.B. war nach kurzer Zeit bereits die Rede davon, dass der von RADUGA aufgebaute Kindergarten in Wosnessenije geschlossen werden müsse. Für die dortige Bevölkerung wäre das eine Katastrophe gewesen. Nun hat zwar offenbar doch die Vernunft gesiegt. Oder waren es die heftigen Proteste? Schade nur um die Energie und Nerven, die sie gekostet haben. So kommt es, dass die Region sich verheddert in hausgemachten Problemen, anstatt sich weiter zu entwickeln. Man kann nur hoffen, dass irgend einmal eine Einsicht kommt. Hoffen darf man ja immer…!
Hier aber noch eine positive Nachricht. Artjom, einer unserer ehemaligen Obdachlosen, hat endlich die Aufenthaltsbewilligung bekommen. Man spürt regelrecht, wie ihm ein Stein vom Herzen gefallen ist. Er hatte grosse Angst, dass er bei einer Ablehnung wieder zurück nach Usbekistan gehen müsste. Soweit kam es zum Glück nicht. Der nächste Schritt ist jetzt der Antrag auf die russische Staatsbürgerschaft, die ihm ja zusteht. Aber das sollte nun kein Problem mehr darstellen.
Mit freundlichen Grüssen
Jörg Duss
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