Das Wetter hat wieder einmal seine eigenen Ideen. Üblicherweise sollten gegen Ende dieses Monates die Kartoffeln im Boden sein. Die andauernden Regenfälle verhinderten dies jedoch. Zum Glück hat in diesem Jahr fast niemand die Aussaat begonnen, wie im letzten Jahr, denn das Saatgut wäre in der Zwischenzeit einfach verfault. Hoffen wir nun für alle Bauern und Hobbybauern, dass sich Anfang des nächsten Monates das herunterfallende Wasser etwas reduziert.
In der Nähe unseres Bauernhofs liegt ein kleines Dorf, in dem sich ausschliesslich Moskauer an Wochenenden oder im Sommer aufhalten. Vor drei Jahren kam eine neue Familie dazu. Sie konnte sich dieses Haus dank des grosszügigen Kindergeldes von Seiten des Staates leisten. Sergej und Swetlana und ihre fünfjährige Tochter Jana waren von dem Tag an oft bei uns auf dem Hof, sodass sich in den letzten Jahren eine Freundschaft entwickelt hat. Sergej arbeitet bei einem Filmproduzenten als Fahrer, wo er Schauspieler und Requisiten von Drehort zu Drehort bringt. Wird gerade kein Film gedreht, fehlt es der Familie am Einkommen. In dieser Zeit lud ich Sergej immer zu uns auf den Hof ein, wo er mitarbeitete und so die Zeit überbrücken konnte, bis er wieder an seine eigentliche Arbeit gerufen wurde.
Wenn er bei den Dreharbeiten war, waren Swetlana und Jana immer allein zuhause. Jana war der Schatten der Mutter. Ohne die Mutter ging sie nirgends hin. Oft rieten wir dieser, sie solle Jana doch auch tagsüber bei uns allein mit unseren Kindern lassen, damit sie etwas von Mutters Schürzenzipfel wegkomme. Nein, alleine wolle sie nicht bleiben, hörten wir dann immer wieder.
Vor etwas mehr als einem Jahr verlor Swetlana sichtlich an Körpergewicht. Wir rieten ihr zuerst, dann baten wir sie, zu einer Arztkontrolle zu gehen. Da Sergej jedoch gerade auf dem Set war, könne sie Jana doch nicht alleine lassen, erklärte Swetlana. Irgend einmal verlor dann meine Frau Natascha, die ja Ärztin ist, die Geduld, setzte Swetlana ins Auto und fuhr mit ihr ins Spital. Die Diagnose kam umgehend: Magenkrebs im Endstadium.
Wie sieht es heute aus? Vor drei Monaten fand die Beerdigung statt. Jana fiel in ein Loch. Kinderpsychologen arbeiten nun mit ihr. Da Sergej keine weiteren Verwandten in der Nähe hat, war er gezwungen seine Arbeit aufzugeben, um Zeit zu haben, sich um Jana zu kümmern. Jetzt sind die beiden täglich bei uns auf dem Hof.
In der letzten Zeit brachte Sergej am Morgen Jana zu uns, wo sie mit den Kindern spielte, und er konnte bei sich zuhause in Ruhe etwas am Haus reparieren. Bald wollen wir Jana auch mal über Nacht bei uns behalten, damit sie sich nach und nach daran gewöhnt, auch einmal ohne ein Elternteil zu sein, denn Sergej möchte sobald wie möglich wieder zu seiner Arbeit zurückkehren.
Mit Freude kann ich verkünden, dass wir es nach mehrmonatiger unermüdlicher Arbeit geschafft haben, unseren an Parkinson erkrankten Mitbewohner für die Invalidenrente anzumelden. Es hatte sich zu einem wahren Spiessrutenlauf gestaltet, weil in der Zeit der Pandemie die Zutritte zu den Spitälern erschwert sind, und sich so alles hinauszögerte. Nichtsdestotrotz haben wir es geschafft, dank unserer Stiftung, die heute in der Öffentlichkeit eine gewisse Autorität geniesst.
Beunruhigend ist, dass in den letzten Wochen fast alle Güter und Lebensmittel sich massiv verteuert haben. Die Lebensmittelkosten für das Schulernährungsprojekt sind innert Monatsfrist um 60% gestiegen. Baumaterialien haben es geschafft, sich im gleichen Zeitraum um sage und schreibe 200-300% zu verteuern. Zurzeit herrscht in der Bevölkerung eine Art Schockzustand. Keiner kann es so richtig glauben, was sich gerade abspielt. Konsequenzen wird es auf jeden Fall für alle haben.
Das war wieder ein kleiner Einblick in unseren sehr bewegten Alltag!
Mit freundlichen Grüssen
Jörg Duss
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