Der Mai, der normalerweise ausschliesslich warmes Frühlingswetter bringt, hatte nun so alles im Sortiment, was man anbieten kann. Nachtfröste waren zu Anfang des Monates fast an der Tagesordnung. In dieser Zeit sind leider in vielen Gärten die Blumen und teilweise auch die Blüten erfroren. Danach hatten wir zwei Wochen richtiges Maiwetter, wie man es sich wünscht, und anschliessend überschwemmten uns solche Regengüsse, dass die Strassen in Bäche verwandelt wurden. Aber wie es so ist im Leben, man muss es halt nehmen wie es kommt!
Wie ich bereits letztes Mal geschrieben hatte, war bei uns eine ganze Schulklasse aus Moskau. Es handelte sich um Schüler einer Waldorfschule, auch bekannt als Rudolf Steiner Schule. Was uns als Allererstes auffiel: Keines dieser 10 bis11jährigen Kinder besass ein Handy, im Unterschied zu den Jungen und Mädchen aus anderen Schulen.
Ich hatte organisiert, dass sich die Klasse nach dem Frühstück aufteilt. Die einen säuberten das Gehege der Ziegen und Schafe, andere das der jungen Kälber, wieder andere entmisteten bei den Kühen. Zwei der Schüler brachten allen Tieren, die nicht auf der Weide sind, wie Hühner, Gänse, Schweine und der Zuchtstier, frisch geschnittenes Gras. Der Rest der Schüler war im Gewächshaus oder auf dem Feld beim Pflanzen von Saatgut, oder am Jäten. Diese Arbeiten nahmen zwei Stunden in Anspruch, danach hatten die Kinder freie Zeit, oder die Lehrerin hatte etwas auf dem Programm.
Am Nachmittag war ich wieder an der Reihe. Bei Waldspaziergängen erkundeten wir gemeinsam die Natur. Lernten Heilkräuter kennen, studierten Spuren des Wildes. Nach dem Nachtessen organisierte ich entweder Stafetten, Lotto, Wissensspiele oder ein kleines Turnier im Steinschleuderschiessen.
Der Höhepunkt für die Kinder war ein Orientierungslauf im Wald. Bei jedem Posten hatten sie einen Bestandteil des anschliessenden Picknicks zu finden, sodass wir zum Schluss dann im Wald gemeinsam Würste braten konnten. In einer grossen Gusspfanne wurden Rühreier zusammen mit den gesammelten Kräutern gekocht, und am Lagerfeuer wurden in der Glut die Kartoffeln schön gebraten.
Ich glaube, diese Kinder sind mit unvergesslichen Eindrücken in die Grossstadt zurück gekehrt!
Gegen Ende des Monates war ich noch zu einer sehr beliebten russischen Fernsehsendung eingeladen. Das Thema lautete: „Ausländer in Russland“. Es war schön, viele „Gleichgesinnte“ zu treffen, die ebenfalls bereits seit Jahrzehnten hier in Russland leben und sich hier auf verschiedenste Arten integriert haben. Alle, ob Europäer, Amerikaner oder Asiaten, hoben immer wieder die besondere Gastfreundschaft der Russen gegenüber Ausländern hervor. In diesem Vielvölkerstaat, mit über 160 verschiedenen Nationalitäten, ist das einer der Grundsteine, ja die Grundlage des Lebens innerhalb des Landes.
Mit freundlichen Grüssen
Jörg Duss
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